Entlang der Kastanienallee verbergen sich hinter hohen Gartenzäunen elegante Villen aus dem Fin de Siécle. Hier wohnt die Oberschicht und all jene, die sich gerne dazu zählen. Ärzte und Anwältinnen, Industrielle, aber auch Zugezogene, denen der Anschluss an die erlesene Nachbarschaft auch nach Jahren noch nicht gelingen mag. Doch hinter der makellosen Fassade steht bei Weitem nicht alles zum Besten.
Ein Anwalt in finanziellen Nöten, ein Psychiater, der am Abgrund wandelt, ein Playboy, der auf Kosten seiner Frau lebt, ein Erbe, der unguten Neigungen nachgeht, ein Trafikant, der Frau und Tochter hasst oder eine arbeitslose Historikerin auf der dringenden Suche nach einem Restitutionsfall.
Sie alle sind Figuren in einem Spiel, das sich immer gefährlicher zuspitzt. Ein wohlhabendes Ehepaar in den besten Jahren beobachtet und kommentiert die Verwerfungen in der Nachbarschaft mit fatalistischem Humor. Währenddessen nehmen die Frauen in der Geschichte nach und nach ihr belangloses Schicksal selbst in die Hand.
Tagsüber mit Senior:innen im Altersheim Interviews für eine wissenschaftliche Studie führen, nachts ungeschützter Sex mit fremden Männern: Frustriert von ihrem schlecht bezahlten Uni-Job und ihren erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, beschließt die Erzählerin von Mammut, in ihren rostigen Peugeot zu steigen und die Stadt zu verlassen. Was sie sucht, ist ein ursprünglicheres, einfacheres Leben, fernab der Gesellschaft und der Menschen, die sie so unerträglich machen. Doch auch auf dem Land sind die Mieten wucherisch, und das Geld reicht gerade mal für ein halb verfallenes Bauernhaus. Was sie dort findet, ist kein ländliches Idyll, sondern ein arbeits- und entbehrungsreicher Alltag. Sie putzt, hackt Holz, legt Vorräte für den Winter an und gibt Lämmern die Flasche. Ihre einzige Gesellschaft: ein alter Schäfer und ein dreckiger Hund. Und schon bald wird sie eins mit ihrer Umgebung, als würde das Wilde wie ein Keim in ihr austreiben.
Schonungs- und schnörkellos und mit einer ordentlichen Portion schwarzem Humor schreibt Eva Baltasar über die Widersprüche des modernen Lebens und der Versuche, daraus auszubrechen. Eine ungewöhnliche Aussteigerinnengeschichte, die auf beklemmend-faszinierende Weise das Urzeitliche freilegt, das noch immer in uns schlummert.